Der Immobilienmarkt Deutschland im Oktober 2022

Dr. Joachim von Rheinbaben
Geschäftsführer

Reflections
25 Oct 2022

Die Eigenkapitalkäufer bilden ihre eigene Welt während der Rest des Marktes im Fallen ist

Die Transaktionen im deutschen Immobilienmarkt im dritten Quartal 2022 spiegeln die neue Realität der Bewertung von Immobilien noch nicht wider. Dies ist hauptsächlich durch Transaktionen bedingt, die mit 100 %-Eigenkapital annähernd auf dem Renditeniveau von 2021 abgewickelt wurden. Dementsprechend sind gemäß den internationalen Maklerhäusern die Spitzenrenditen lediglich leicht gestiegen, zum Beispiel auf ca. 2,8 % für deutsche Büroimmobilien.

In den ersten 9 Monaten lag das Transaktionsvolumen bei ca. 51 Mrd. EUR – ein Minus von rund 15 % zum Vorjahr, allerdings ein leichtes Plus im Vergleich zum zweiten Quartal dieses Jahres. Der Löwenanteil des Rückgangs ist auf einen 50 %-Einbruch bei den Transaktionen am Wohnungsmarkt zurückzuführen – hier stehen lediglich rund 10 Mrd. EUR zu Buche.

Derzeit scheint es, als wären große deutsche Equity-Investoren in ihrer eigenen „Bubble“. Es ist bemerkenswert, dass diese Käufergruppe ungeachtet der durch die Märkte in Gang gesetzte Neubewertung immer noch bereit ist, Ankäufe zu Renditen um oder sogar unter 3 % abzuschließen.

Dies macht mittelfristig keinen Sinn, da sich an den Kapitalmärkten andere Assetklassen – insbesondere Anleihen – mit einem deutlich attraktiveren Risiko-Return Profil anbieten. Eine Anleihe der Vonovia – dem führenden Wohnungsbauunternehmen – mit einer Laufzeit September 2032 notiert aktuell bei rund 62 % und bietet eine Rendite bis Laufzeitende von 6 % p.a. Noch erheblicher sind die Renditen von Alstria-Anleihen in die Höhe geschossen: Bei einer Restlaufzeit von gut 5 Jahren ist aktuell eine Rendite von rund 9,2 % p.a. erzielbar. In den USA gibt es bereits fast 4,5 % für zweijährige Staatsanleihen und auch Geldmarktfonds erfreuen sich als kurzfristige Geldanlage mit 2,8 % im Schnitt wieder steigender Beliebtheit.

Werfen wir einen Blick auf den Immobilientransaktionsmarkt abseits der Equity-Käufer: Während immer wieder Aussagen wie „der Markt muss sich finden“ und „es fehlen die Referenztransaktionen“ zitiert werden, ist die Wahrheit deutlich einfacher. Die Kaufpreisfindung ist schlicht die Funktion einer Zielrendite beziehungsweise eines Zielgewinns, welche auf Basis von verschiedenen Annahmen wie der Marktmiete, der Exit-Rendite und den Parametern der Fremdfinanzierung (Zinssatz und Leverage) errechnet wird. Erschwert wird diese Berechnung derzeit durch die sich aktuell stark veränderten Rahmenbedingungen und die hohe Unsicherheit an den Immobilien- und Finanzierungsmärkten. Somit fällt es Investoren aufgrund der anhaltenden Volatilität schwer, die obigen Bewertungsparameter festzulegen. Diese Unsicherheit führt aktuell zu höheren Risiko-Puffern, sprich niedrigeren Bewertungen. Unabhängig von der hohen Volatilität und Unsicherheit, die zu niedrigeren Bewertungen führt, gilt für alle Investoren auch jenseits der Equity-Käufer, dass Renditeerwartungen aufgrund attraktiver gewordener Alternativinvestments steigen.

Am besten veranschaulicht man sich die Situation an einem Rechenbeispiel: Betrachtet man eine Core-Transaktion im Oktober 2022 im Vergleich zu 2021, sieht man den Bewertungsunterschied in seinen ganzen Ausmaßen.

Mit einer zum Faktor 30x bewerteten Core-Immobilie ließ sich noch vor einem Jahr bei 1 % Zinskosten und 50 % LTV eine laufende EK-Verzinsung von 4,3 % erzielen (10 % Leakage, 8 % Transaktionskosten beim Ankauf, keine laufende Tilgung). Ein Investor, der sich heute mit dieser Rendite zufriedengeben würde, kann nicht mehr auf einen positiven Leverage-Effekt bauen. Ohne den Einsatz von Leverage und bei gleichem Leakage und Transaktionskosten kann ein Equity-Käufer gerade mal einen Faktor von 19,3x bezahlen. Dies entspricht einem Bewertungsrückgang von rund 35 % oder knapp 11 Faktoren. Dabei ist noch nicht eingepreist, dass sich die Renditeerwartungen der Investoren – wie oben ausgeführt – noch weiter ausweiten müssten. In unserem Beispiel würde der EK-Käufer im aktuellen Markt eine laufende Verzinsung erhalten, die unterhalb des für eine besicherte Core-Immobilienfinanzierungen verfügbaren Zinssatzes liegt (Euro-Swap 10 Jahre bei 3,3 %).

An diesen Ausführungen wird deutlich vor welchen Herausforderungen die Branche steht. Weiterhin gilt wie schon immer, dass Investoren für ihre Entscheidungen Sicherheit brauchen. Kosten- und Liefersicherheit, Energie- und Zinssicherheit und ein stabiles wirtschaftliches Umfeld. All dies ist derzeit nicht gegeben und wer vermag zu sagen, wann ein Großteil dieser Aspekte wieder greifbarer ist? Deshalb erwarten wir für die nächsten 12-18 Monate eine Konsolidierung des Marktes und Gelegenheit für opportunistische Käufer – wobei wir Vorteile bei den Investoren sehen, die bereit sind Kaufpreise mit einem hohen Eigenkapitalanteil zu belegen.

Für 2022 bleiben wir bei unserer Prognose für ein Transaktionsvolumen von 65 Mrd. EUR.